Im Bürgerdialog der Deutschen Bahn zu einem möglichen ICE-Werk in Feucht stellten sich vier Vertreter des Unternehmens über vier Stunden lang den Fragen und Anmerkungen der Feuchter Bürger. Es wurde ein Schlagabtausch zwischen den Bürgern und Bahn-Verantwortlichen, der größtenteils sachlich und respektvoll ablief und dem Begriff des „Dialogs“ gerecht wurde.
Bereits bei der Ankunft an der Halle wurde man von etwa 150-200 Personen auf dem Reichswaldplatz lautstark begrüßt, die ihre offensichtliche Unmut mit Pfeifen und Tröten kundtaten. Die Halle war trotz geltender 2G-Regelung nahezu voll mit weiteren knapp 250 Menschen.
Um 19 Uhr eröffnete der erste Bürgermeister des Marktes Feucht Jörg Kotzur die Veranstaltung und begrüßte Gabriele Kaiser vom Markt Feucht, die vier Vertreter der Deutschen Bahn (Tim Deutschmann [stellvertretender Projektleiter Neues ICE-Werk], Carsten Burmeister [Projektleiter Neues ICE-Werk], Karl-Heinz Holzwarth [Qualitätsbeauftragter der DB für den Freistaat Bayern], Marion Fink [Kommunikation Neues ICE-Werk]) und die vielen Bürger in und vor der Halle. Als diese explizit erwähnt wurden, hörte man in der Halle lautes Getöse. Eine deutliche Bestätigung ihrer Anwesenheit.
Für die Deutsche Bahn sollte an diesem Tag vor allem der Projektleiter Carsten Burmeister sprechen, der den Anfang mit seinem kurzem Vortrag zu den Daten und Fakten des ICE-Werks machte. Diese Fakten der DB finden Sie am Ende dieses Artikels zusammengefasst.
Nach dem zehnminütigen Vortrag begann die Veranstaltung mit drei Fragen von Kindern, die zuerst gestellt werden durften. Die Fragen konzentrierten sich allesamt auf die Rodung des Bannwaldes und ob es denn nicht alternative Standorte auf Industrieflächen gäbe. Nach allen Fragen erklang lauter Applaus im Saal. ICE-Werk Projektleiter Burmeister betonte bei seiner Antwort, dass einfach keine Alternativen im Großraum Nürnberg zur Verfügung stehen würden. Ein Eingriff in den Bannwald sei außerdem in Ausnahmefällen möglich, wenn es der Gesellschaft diene. Dies sei beim geplanten ICE-Werk unbestritten. Auf diese Aussage folgte ein lautes Raunen in der Reichswaldhalle.
Auf die Kinderfragen folgten weitere vorher angemeldete „Fragen“. Inge Jabs machte als Sprecherin für die Waldsiedlung den Anfang. In ihren über zehn minütigen Ausführungen kritisierte sie verschiedene Punkte wie Lärmschutz, Umwelt- und Naturschutz, den bisherigen Ablauf der Standortsuche, sowie das Vorgehen der DB. In ihren sehr emotionalen Worten fanden sich auch klare Aufforderungen an die Bahn wieder.
„Wo ist das transparent und menschenfreundlich? Warum planen Sie so einen Wahnsinn? Geben Sie dem Bahnvorstand die Empfehlung den Standort Nürnberg aufzugeben!“
Inge Jabs
Auf die langen Ausführungen folgten ebenso ausführliche Antworten von Projektleiter Burmeister. Dieser stellte fest, dass das Raumordnungsverfahren auf klaren Kriterien der Regierung, nicht der DB basiert. Außerdem seien Bannwald und Naturschutzkriterien keine K.O. Kriterien, es gäbe (gesetzliche) Ausnahmen. Aufgrund der in Zukunft benötigten Kapazitäten und der Verkehrswende bräuchte es dieses Werk für 25 Züge und mit 3,2 Kilometern Länge. Zu einer mangelnden Transparenz, gerade beim Thema Lärmschutz sagte Burmeister, dass man aktuell an einigen Stellen noch keine finalen Gutachten habe, gehöre zum Prozess eines Raumordnungsverfahrens dazu. Er ist überzeugt von der Transparenz der Bahn und nannte als Vergleich andere Bauträger wie Tesla in Brandenburg.
„Alles, was wir kennen, veröffentlichen wir.“
Carsten Burmeister
Im Anschluss an die Ausführungen von Jabs (Sprecherin der stark betroffenen Waldsiedlung) stellte Bürgermeister Kotzur selber eine Frage. „Wieso hat man die Waldsiedlung nicht direkt mit einbezogen?“ An diesem Punkt wurde Burmeister selbstkritisch. Das müsse man bei den verbleibenden Standorten noch optimieren. Die Detailplanungen dazu finde im Raumordnungsverfahren statt, was im kommenden Monat bei der Regierung von Mittelfranken starten soll.
Gabriele Kaiser vom Markt Feucht reagierte im Anschluss auf die von Burmeister häufig genannten 3,2 Kilometer Länge, die man für das Werk zwingend benötigen würde. Die beiden Feuchter Standorte hätten ja nur 3000 bzw. 2900 Meter maximale Länge, entgegnete Kaiser. Burmeister antworte prompt und klärte dieses vermeintliche Problem auf. Die Feuchter Standorte weisen eine übermäßig große Breite auf. Man würde das Werk im Bogen bauen und etwas drehen, sodass es in das Gebiet sehr gut passe. Eine Detailkarte gibt es dazu aktuell aber noch nicht.
Als zweiter Redner meldete sich der Biologe Herr Haas, der nach eigenen Angaben ehrenamtlich für den Bund Naturschutz tätig ist. Er kritisierte maßgeblich, dass man Klimaschutz gegen Artenschutz ausspielen würde. Außerdem forderte er von der DB, dass sie eine Gesamtkartierung der Flora und Fauna im Reichswald vornimmt. Burmeister antwortete, dass die Bahn eine Gesamtkartierung im weitläufigen Bereich um das geplante Werk bereits vorgenommen habe. Er betonte, dass auch die Kampfmittel beim Standort MUNA beachtet werden müssten. Letztlich werde die Regierung beurteilen müssen, ob der Eingriff in die Natur gerechtfertigt sei.
Im weiteren Verlauf des Abends wurden verschiedene alternative Standorte von Bürgern ins Gespräch gebracht. Unter anderem von Herrn Braun ein Industriegebiet bei Hilpoltstein. Dieses sei laut Projektleiter Burmeister rausgeflogen, da es 26 Kilometer vom Nürnberger Hauptbahnhof entfernt sei. 25 Kilometer wurde von der DB als Höchstgrenze festgelegt, was schon ein Zugeständnis sei. Bei bisherigen Werken wurden nur maximal 8 Kilometer einfache Entfernung zugelassen.
Einen komplett neuen Vorschlag brachte der Bürger Herr Berthold ein. Er sehe ein Gebiet in Nürnberg zwischen Gleishammer, Dürrenhof und der Nürnberger Versicherung als geeignet an. Dieses würde auch der Bahn gehören. Die Bahnvertreter schauten sich im Anschluss dieses Gebiet genau an, hielten es aber auf die Schnelle für zu klein und damit unpassend. Man werde es sich aber nochmal genau anschauen und bewerten.
Der Feuchter Marktgemeinderat Andreas Sperling von Bündnis 90/ Die Grünen überreichte Burmeister während seinen Äußerungen ein „Geschenk“. Es handelte sich um den Film „Wackersdorf“. Mit diesem Film sprach Sperling eine Mahnung aus:
„Schauen Sie sich den Film unter dem Gesichtspunkt an, was passiert, wenn Leute an der Nase herumgeführt werden.“
Andreas Sperling
Im abschließenden offenen Teil der Fragerunde machte Burmeister auf Nachfrage einer Bürgerin klar, dass es sich bei dem Standort MUNA Nord um keinen „Scheinstandort“ handle. Man gehe zum jetzigen Zeitpunkt davon aus, dass man das Gebiet technisch im zeitlich vorgesehenen Rahmen von den Kampfmitteln befreien könnte.
Nach zahlreichen weiteren Äußerungen ging die Veranstaltungen nach über vier Stunden zu Ende. Ungefähr 100 Menschen sind bis zum Schluss geblieben, vor der Tür musste um 22 Uhr die Übertragung aufgrund des Lärmschutzes beendet werden. Ab einem gewissen Zeitpunkt wiederholten sich die meisten Punkte, dennoch nahm sich vor allem ICE-Werk Projektleiter Carsten Burmeister bis zum Ende die Zeit. Geduldig beantwortete er die Fragen der Bürger äußerst sachlich und höflich, wenn natürlich für die Fragenden nicht immer zufriedenstellend. Einige Fragen konnten aber auch geklärt werden.
Insgesamt verlief die Veranstaltung nach Aussagen einiger Besucher deutlich besser als die vorherige in Röthenbach bei St. Wolfgang. Es war wirklich ein Bürgerdialog. Ein Redner lobte zu Beginn auch das Verhalten der Bahn im Vergleich zu anderen Bauträgern. Bis auf wenige Äußerungen der Bürgerseite blieb es bis zum Schluss respektvoll, sachlich und konstruktiv.
Bürgermeister Kotzur zog nach der Veranstaltung ebenfalls ein positives Fazit. Er fand es gut, dass sich alle so diszipliniert verhalten haben. Außerdem habe er auch den Eindruck, dass die Bürger im Großen und Ganzen mit dem Verlauf des Abends zufrieden waren.
Daten und Fakten der DB
Man gehe aktuell von mehr als 260 Millionen ICE-Reisenden in den nächsten Jahren in Deutschland aus. 2019 waren es knapp über 150 Millionen im Fernverkehr der Deutschen Bahn. Für diesen Passagierzuwachs werden in Zukunft 300 neue ICE-Züge benötigt. Für den Betrieb dieser braucht die Bahn weitere ICE-Werke.
Das ICE-Werk soll 25 Züge pro Tag behandeln und 450 neue Arbeitsplätze schaffen. Die Bahn investiert dafür aus Eigenmitteln 400 Millionen Euro.
Aktuell befindet man sich am Ende der Standortsuche, im Dezember will die DB mit den drei Standorten ins Raumordnungsverfahren gehen, welches maximal sechs Monate dauern soll. In diesem prüft die Regierung von Mittelfranken, welche Standorte raumverträglich wären. Dabei könnten sowohl alle drei Standorte weiter in Frage kommen als auch alle drei rausfallen.
Nach der Raumordnung würde sich die Bahn auf einen Standort festlegen (sollte mindestens ein Standort raumverträglich sein) und im Anschluss in die Detailplanung gehen. Im Planfeststellungsverfahren würde danach die endgültige Baugenehmigung erteilt werden, sodass mit dem Bau begonnen- und das Werk 2028 in Betrieb genommen werden kann.
Für die zwei Standorte in Feucht gibt es bisher folgende Entwürfe für die Werksanordnung: