++Gastbeitrag von Olaf Krebs++
Ich habe unruhig geschlafen. Wegen dem Bericht in den Tagesthemen, mit einem Beitrag über die katastrophale Entlohnung von Friseurauszubildenden. Ich wusste sofort “Darauf musst Du antworten“.
Jedoch viel zu wenig Zeit um auf den Tagesthemen-Beitrag angemessen und umfangreich reagieren zu können.
Jetzt nutze ich die Chance.
Ja. Friseurauszubildende verdienen zu wenig Geld. Die Tagesthemen berichteten aus Sachsen-Anhalt, wo die Lage mit 156 Euro monatlicher Ausbildungsvergütung dramatisch schlecht ist. Wahnsinn. Dies ist jedoch in Bayern, Nürnberg, ein wenig anders. Die Ausbildungsvergütung liegt hier zwischen 450 und 650 Euro. In unserem Unternehmen zuzüglich 100 Euro Prämie und VWL. Vielleicht ist es auch gut hier 200 bis 500 Euro Trinkgelder der Kunden mit einzubeziehen. Diese sind wieder, oder noch steuerfrei.
Immer noch zu wenig? Na klar! Davon eigenständig “leben” kann man selbstverständlich nicht. Dies geht nur mit familiärer oder staatlicher Hilfe. Ist doch klar. War bei mir übrigens Mitte der 80er Jahre mit einer monatlichen Vergütung von 210 DM nicht anders. Wer sich für eine Friseurausbildung entscheidet, kann in dieser Zeit in der Regel ohne Hilfe nicht selbstständig wohnen. Das war früher so, ist heute so und könnte zukünftig auch so sein. Ich will das jetzt nicht abschließend bewerten, fand es aber damals schon traurig.
Doch das Leben ist leider oftmals komplizierter als es im ersten Moment erscheint. Und auch bei diesem Thema gibt es zwei Seiten der Medaille. Zwei Seiten, welche leider im Tagesthemen-Beitrag nicht berücksichtigt wurden. Wie auch, wenn ein Beitrag in einer Nachrichtensendung kaum drei Minuten Länge überschreiten darf? Verständlich, dass somit nur eine Seite gezeigt wird. Aber um sich ein faireres Bild von einem Thema bilden zu können, sollte man auch die andere Seite der Medaille betrachten. Und dies ist gerade für die Friseurbranche sehr spannend. Wo fange ich da bloß an?
Nur noch knapp 20% aller Friseursalons in Nürnberg bilden aus. Warum? Weil sie keine Azubis mehr finden? Das ist nur ein Grund. Der andere Grund ist, dass eine Friseurausbildung für viele Friseurbetriebe viel zu teuer ist. Ja, zu teuer! Mein Unternehmensberater hat errechnet, dass uns jede/ jeder Auszubildende/er jeden Monat 970 Euro kostet. Neben der Ausbildungsvergütung zahlt der Ausbildungsbetrieb auch viele weitere Kosten wie Steuern, Versicherung, Vermögenswirksame Leistungen, Berufsschule und überbetriebliche Ausbildungswochen. Noch nicht mitgezählt sind die Kosten für unsere Ausbilder, der Umsatzausfall während der Ausbildungszeit und für externe Weiterbildungen. Unsere Auszubildenden gehen auch während der Ausbildungszeit schon auf Weiterbildungen. Auch schon international Paris, New York, London, Berlin … Das können sich viele Friseursalons einfach nicht mehr leisten – vor allem weil viele Friseure in den letzten Jahren meinten, nur über einen möglichst günstigen Preis Kunden gewinnen zu können. Wie soll das gehen?
Darüber hinaus gibt es noch zwei Dinge, die aus meiner Sicht wichtig zu wissen sind. Zum einen: Die Ausbildungszeit beträgt zwar in der Regel drei Jahre, davon sind die Auszubildenden jedoch knapp 1 bis 1,5 Jahre nicht im Salon! Berufsschule, ÜBA, Urlaub … der Ausbildungsbetrieb zahlt 36 Monate die Ausbildungsvergütung, die Azubis sind aber nur ca. 20 Monate wirklich im Salon. Und wenn sie im Salon sind – müssen wir Azubis aktiv einsetzen um die allgemeinen Ausbildungskosten pro Azubi (ca. 34.000 Euro) zumindest wieder ein wenig herein zu bekommen? Im Friseurberuf arbeitet man direkt am zahlenden Kunden. Der Kunde bezahlt den Lohn. Falls Sie jetzt mitlesende Kundin bzw. mitlesender Kunde sind, frage Dich einmal wie bereit Du bist den vollen Preis für die Leistung eines Auszubildenden zu bezahlen… Wir sind immer am zahlenden Kunden direkt dran, in vielen anderen Handwerksberufen ist das anders. Sei es KFZ, sei es z.B. Malerbetrieb. Interessiert uns da ob ein Malermeister oder ein Auszubildender die Reifen tauscht oder das Kinderzimmer streicht? Wir zahlen für die entstandene Arbeit den vollen Preis und den vollen Stundenlohn, egal wer es ausgeführt hat.
Und beim Friseur? Da wollen wir aber immer nur die Besten an unsere Haare lassen. Das verstehe ich. Das würde ich als Kunde ganz genau so erwarten. Völlig zu Recht!
Aber wenn das so ist, und man jetzt weiß, dass sich bei Olaf Krebs aktuell drei junge Menschen in der Ausbildung befinden und wir dementsprechend investieren… ist es dann fair einzig und allein nur auf die reine Ausbildungsvergütung zu schauen? Und ist es dann für die deutsche Friseurszene fair, wenn bei den Tagesthemen natürlich das Bundesland als Beispiel genannt wird welches die mit Abstand geringste Vergütung zahlt? Was ist der Zweck eines solchen Beitrags? Er soll betroffen machen. Und er stellt die Friseurbranche erneut in ein ganz schlechtes Licht. Ich finde das als leidenschaftlicher Ausbildungsbetrieb nicht fair. Wir bilden seit Jahrzehnten total gern aus. Zahlreiche Intercoiffure Olaf Krebs-Auszubildende haben ihre Gesellenprüfung und Meisterprüfung mit Auszeichnung bestanden und sind sehr erfolgreiche Friseure geworden!
Mein erster Termin im neuen Jahr? Mit wem traf ich mich gleich am 2. Januar 2018. Richtig, mit den Ausbildern! Weil wir es lieben auszubilden. Weil es uns wichtig ist. Und weil wir Verantwortung für drei tolle junge Menschen haben. Wir finden unsere Azubis machen einen ganz tollen Job! Wir machen das alles wirklich extrem gern, aber fragt mich bitte nicht ob sich eine Ausbildung für mich als Unternehmer “rechnet”. Wir investieren ganz viel Zeit, ganz viel Liebe und aus meiner Sicht auch ganz viel Geld in jeden einzelnen Auszubildenden. Wir fühlen uns und unserem Berufsstand verpflichtet.
Wir wollen nachhaltig arbeiten, und natürlich hoffen wir auch talentierte Azubis anschließend als Profi-Stylisten bei uns arbeiten zu lassen. Aber eine Ausbildung kostet dem Ausbildungsbetrieb Zeit, Nerven und Geld. Das wurde in den Tagesthemen nicht gezeigt.
Ebenfalls nicht gezeigt wurde wie in vielen anderen Ländern eine Friseurausbildung stattfindet. Oft zahlen dort junge Menschen für die Ausbildung. Es gibt kein duales Ausbildungssystem, sondern es gibt Berufsschulen für die man bezahlen muss um dort ausgebildet zu werden. Hier in Deutschland zahlt der Friseurbetrieb. Wir zahlen die Ausbildungsvergütung. Wir zahlen die Ausbildung. Wir investieren so viel Kraft in eine umfangreiche, solide und zukunftsweisende Ausbildung. Und am Abend erklärt uns dann Ingo Zamperoni wie erniedrigend Friseurauszubildende in Deutschland ausgenutzt werden. Und anschließend darf man dann ins Bett gehen. Habe ich schon gesagt, dass ich schlecht geschlafen habe?
Herzlichst,
Olaf Krebs Intercoiffure in Feucht